Berge, Seen, Hügellandschaft – viele Menschen zieht es zur Erholung in den Süden. Mich drängt es in den Norden. Für die Weitsicht will ich nicht erst auf Berge steigen müssen, geschweige denn nach oben gondeln. Dieser kleine Fall der Gondel nach dem Überrollen der Stützpfeiler tut mir nicht gut. Also ab ans Meer, an die raue Nordsee, Wellen, Wind, Gischt. Das ist mein Wetter.
Aus dem tiefen Süden bietet sich die Anfahrt per Bahn an. Das will in Zeiten der DB AG wohl geplant sein. Anders gesagt: Von meiner Kleinstadt nahe der Grenze zu Österreich geht es erst per München und von dort mit dem ICE nach Hamburg. Dort wird Halt gemacht. Erstens macht die Fahrt müde, zweitens ist ein Halt wegen der Unabwägbarkeiten im Bahn-Alltag sinnvoll. Ein gebranntes Kind ist, wer schon einmal zwei Stunden in Kassel-Wilhelmshöhe verbringen musste, eingesperrt in einen ICE, weil das Personal für den Wechsel vor der Weiterfahrt schlicht fehlte. Es gibt Verzögerungsvarianten wie technische Defekte oder gesperrte Strecken. Fakt ist: Die Nordsee-Fähren warten nicht stundenlang auf die Bahn. Eine Pause hilft, Hamburg bietet sich an, Husum auch, meist bleiben wir in der Hansestadt, ein Hotel in Hafennähe – es muss ja nicht immer in der Elbphilharmonie sein. So stimmen wir uns auf den Urlaub ein, langsam, entspannt, fast in Zeitlupe, fernab vom Flughafen-Stress. Am anderen Morgen geht es weiter, die Abfahrt mit dem Zug Richtung Westerland aus der wunderschönen Halle des Hauptbahnhofes. Langsam fährt der Zug durch Hamburg, verlässt die Stadt, am Fenster zieht das immer flacher werdende Land vorbei. Schade, dass die Bahn auf dieser Strecke einen alten IC der Marke Seelenverkäufer einsetzt. An diesem Zug ist ständig irgendetwas kaputt. Aber je näher die Nordsee rückt, desto gelassener fühlt sich der kommende Urlaubs-Insulaner. Die Überfahrt über den Nord-Ostsee-Kanal ist eine der zentralen Wegmarken. Jetzt dauert es nicht mehr lang bis nach Niebüll. Die Bahn rangiert den Waggon zum Bahnhof der NEG, die den Zug bis nach Dagebüll-Mole zieht. Die letzten Meter kann ich kaum erwarten, endlich Seeluft, endlich Meer, Hafen, Schiffe. Wir sind ganz kurz vor dem Ziel. Die Fahrt mit der Fähre ist ein erster kleiner Höhepunkt. An Deck der neuen „Rungholt“ spürt der Urlauber das Meer. Tief durchatmen. Eineinhalb Stunden lang Seehunden zusehen, für den Festlandsbewohner ungewohnt große Segelboote, Fischkutter und Bojen bestaunen. Der Hafen von Wyk auf Föhr ist der letzte Halt vor der Freiheit auf dem weiten Kniepsand. Amrum ist schon im Blick. In Wittdün drängen die Tagesurlauber vom Schiff, selbst genießt man die Zeit. Jetzt sind wir da. Endlich Amrum!
(rob)